In Köln für die USA gebaut. Dann über den Atlantik, dort von einem Deutschen gekauft, wieder zurück über den großen Teich. Norbert Ohlsen - genannt Enno - hat die lange Geschichte seines Capri-Lebens aufgeschrieben.
Ich, Norbert Ohlsen, genannt Enno, bin als 66er Baby Boomer aufgewachsen mit Matchbox und Co. und somit schon seit frühestem Kindesalter autobegeistert. Da es Google noch nicht gab, hat man seinerzeit seine Autodatenkenntnisse aus Quartettspielen gewonnen oder sich die Nase an der Seitenscheibe von am Fahrbahnrand parkender Autoträume zerquetscht. Dies um nachzuschauen, bis wohin der Tacho reichte. In der unschuldigen Annahme, dass der Wagen das auch leisten konnte, was am Ende der Skala zu lesen war.
Und so begann meine Liebe zum Capri, als mein Vater im Februar 1973, einen Monat nach meinem 7. Geburtstag, mit einem nagelneuen daytona-gelben Capri 1b vor der Tür stand. Okay, dass er sich nach einem Neuwagen umschaute, bekam ich mit, weil er mich kurz zuvor mit einem orangenen BMW 02 mit runden Rückleuchten zu einer Probefahrt in Flensburg eingeladen hatte.
Aber dann stand er da, einige Zeit später als gelber Flitzer zwischen den ganzen anderen Käfern, Kadetten, Enten oder R4. Diese meist in Weiß und unbunt. Wahnsinn! Da wurde jede Fahrt zur Schule ein Erlebnis und dass Dads Capri nur den 1,3 Liter Reihenvierzylinder hatte, spielte für mich damals keine Rolle. Es folgten viele schöne und stolze Jahre im und mit dem Capri. Er wurde schnell zum Familienmitglied. Und dann - natürlich auf einem privaten Parkplatz - durfte ich zehn Jahre später das erste Mal hinter das Lenkrad eines Autos und meine ersten Fahrproben mit Dads Coupé vollführen.
Da war für mich klar: den Wagen übernehme ich, sobald ich den Führerschein habe, und behalte ihn für immer! Ja, nachdem ich ihn umlackiert und tiefergelegt und verspoilert habe. Sorry, dass war damals so mein Plan.
Aber: wenn es auch sonst nie vorkam, tat mein Vater (an dieser Stelle mal nichts mit dem liebevollen Dad) etwas Unverzeihliches. So knapp einen Monat, bevor ich meinen Führerschein zum 18. Geburtstag ausgehändigt bekam (bestanden war er schon mit 17), kam ich nach Hause und wunderte mich, warum der Papa nicht da ist? Beziehungsweise doch zuhause war, aber der Capri nicht? Auf der Straße schaute ich mich erneut um und erblickte etwas später die Alm-Kuhglocke, die seit 1974 doch sonst am Innenspiegel des Capri hing. Nun allerdings in einem Escort fremdging/-hing.
Treppe rauf, den Vater zur Rede gestellt und tatsächlich: er hatte den Capri für 700 Deutsche Mark in Zahlung gegeben und sich den Escort III geholt. Ein großer Schock und der Beginn einer siebenjährigen Zeit ohne Capri seit 1973 in meinem Leben.
Die Entdeckung in El Paso
Gut, das Leben ging weiter und nach meiner Lehre folgte die Bundeswehr, genauer die Luftwaffe. Und nach einer dreimonatigen Ausbildung in Fort Bliss, El Paso, USA (TX - einen Gruß an alle „Hawkies“ an dieser Stelle) war für mich klar: da muss ich wieder hin. 1990 war es so weit. Ich ging für drei Jahre als Ausbilder zurück nach El Paso. Da wir Ausbilder nicht in der Kaserne wohnen mussten, mietete ich ein Haus am östlichen Stadtrand.
Eines Abends, im Dezember 1990, nahm ich einen langen Weg nach Hause und fuhr mal durch Gebiete, die man sich sonst nicht unbedingt freiwillig angetan hätte. Durch Zufall geriet ich dabei in eine abgelegene Wohnsiedlung. Und da stand er nun: meines Dads 73er, daytonagelber Capri 1b. Zugegeben, nicht genau seiner, aber das gleiche Modell in der gleichen Farbe. Abgestellt und verstaubt unter einem Baum im Vorgarten. An diesem Ort beginnt die Geschichte mit meinem Auto.
Noch ganz geflasht fuhr ich nach Hause. Nach fast sieben Jahren nun den gelben Capri wiedergesehen zu haben, ließ mir absolut keine Ruhe. Er ging mir die kommenden Tage einfach nicht mehr aus meinem Kopf und ich beschloss, noch einmal hinzufahren. Ein schwieriges Vorhaben übrigens, auch wenn der Wagen nur etwa 20 Minuten von meinem Haus entfernt stand. Wo war das nochmal?
Ich hatte ihn ein paar Wochen zuvor nur durch falsches Abbiegen, nur durch Zufall gefunden. So brauchte ich also rund zwei Stunden, um ihn wiederzufinden. Aber da stand er noch, ganz unberührt in den letzten Wochen, wie wohl auch in den Jahren zuvor.
Ich saß in meinem Auto – ein 83er Orion, den ich tatsächlich aus Deutschland mitgebracht hatte, und der wohl der einzige seiner Art in den USA war und blieb - auf der anderen Straßenseite und starrte herüber zum Capri und zum Haus, in der Hoffnung, jemand würde mal dort herumlaufen und ansprechbar sein. Ihr müsst wissen: in Texas geht man nicht eben mal auf private Grundstücke und klingelt an fremden Türen.
Aber nichts passierte und bevor ich zu verdächtig wirkte, fuhr ich unverrichteter Dinge wieder nach Hause. Dieses Szenario stellte sich in den folgenden Wochen noch etwa dreimal genauso dar, bis ich beschloss, dann doch einen Schritt weiterzugehen. Da hatten wir bereits Januar 1991. Ich wollte wieder hin, um dieses Mal einen vorbereiteten Zettel mit Kaufinteresse und Telefonnummer am Capri anzubringen. So geschah es dann auch – naja, fast zumindest.
Leckerbissen aus Deutschland?
Denn vor Ort kam mir der Gedanke, dass der Capri wohl schon seit Monaten oder Jahren von seinem Besitzer nicht beachtet wurde und der Zettel wohl untergehen würde. So wurde kurzerhand umgeplant und ich nahm allen meinen Mut zusammen. „Hätte ich doch bloß jemandem Bescheid gesagt, wo ich bin“, schoss es mir durch den Kopf, als ich zur Haustür ging. Schon kurz nach dem zaghaften Klopfen erfolgte eine lautstarke Begrüßung. Ich möchte bis heute nicht wissen, welcher Vierbeiner mich hinter der Tür an diesem Tag empfangen hätte. Vor meinem inneren Auge war es ein mutierter Dobermann mit großem Appetit auf einen deutschen Leckerbissen.
Zum Glück kam dann aber ein etwa 70-jähriger Herr ums Haus gelaufen. Er wollte verwundert wissen, was ich denn wolle? Er würde schließlich nichts brauchen. Als ich ihm dann erklärte, dass ich aus Deutschland komme und mich für den in Deutschland gebauten Capri interessiere und ihn gerne kaufen würde, kam erst einmal ein langes Schweigen. Die längsten Stunden meines Lebens, so schien es mir. Es waren tatsächlich wohl nur mehrere Sekunden, aber gefühlt soooo lange. Dann brach er sein Schweigen und nahm mich mit hinter das Haus.
Es wurde lang und er erzählte mir von seinem Capri, den er über alles liebte, den er als Neuwagen gekauft hatte, mit dem er schon überall war und dass er ihn nicht verkaufen möchte. Ich könne aber gerne seinen 74er Cadillac kaufen, der nur wenige Meter von dem Capri entfernt vor der Garage stand und sein Alltagsauto sei.
JR - DJ - NO: letzteres ist „Enno“
Jetzt mag man sagen: einen Cadillac hätte Enno kaufen können und wollte nicht? Hier folgt nun die Erklärung meines „Spitznamens“. Enno werde ich erst seit der Zeit in den USA genannt, denn die Amerikaner haben ein Problem mit meinem Vornamen.
Norbert: Wenn es gut lief, wurde daraus „Robert“, aber auch Sachen wie „No-Bird“ entstanden. Es wurde mir bald zu blöd, dies jedes Mal richtigzustellen. Und da die Amerikaner es ja lieben, mit den Anfangsbuchstaben neue Namen zu kreieren – man denke nur an JR oder DJ - gab ich ihnen halt meine Initialen. „NO“, gesprochen „Enno“. Das klappte dann.
Zurück zum eigentlichen Thema. Ja, es hätte auch ein Cadillac werden können oder ein MGB oder ein 65er Mustang, die mir in der Zeit zum Kauf angeboten wurden. Aber der Capri hatte sich in meinem Kopf und in meinem Herzen festgesetzt und das habe ich bis dato nicht bereut, auch wenn ein 65er Stang schon seinen eigenen Charme und Wert gehabt hätte.
Aber vom Capri wollte sich der alte Herr nicht trennen, der war ihm in den knapp 18 Jahren ans Herz gewachsen. Nur standen sie da rum, seine Schätze. Seit Jahren unberührt, da der 70-Jährige, bedingt durch einen Grauen Star, schon ewig kein Auto mehr bewegen konnte und auch nie wieder würde. Ungeklärt blieb unter diesen Umständen die Frage bezüglich seines „Alltagsautos“. So unschön das für ihn auch war, für mich war es gut. Denn ein paar Tage später bekam ich von ihm die Nachricht, dass ich den Capri nun doch kaufen könne. Wüsste er ihn dann doch in guten Händen, die ihn so schätzen, wie er es tat.
Der Deal meines Lebens
Ich ließ dann auch nicht lange auf mich warten und machte den „Deal meines Lebens“ perfekt. Nachdem ich den durch Sonne fast aufgelösten Innenraum des Capri von einer Menge Zeug wie Penthouse-Zeitschriften befreit hatte, und eine neue Batterie eingebaut hatte, ließ er sich problemlos starten und ich konnte ihn auf eigener Achse zu meiner Autowerkstatt fahren. Die ersten Meilen in meinem eigenen Capri 73! Ohne Registration und Versicherung. Schöner hätte es auch 1973 nicht als erste Fahrt im Neuwagen gewesen sein können. So begann dann der zweite Abschnitt in meinem Leben mit einem 1b. Auch wenn ich heute den Wagen nicht mehr von außen restaurieren würde - hatte er doch nur wenig Patina- so sah ich das damals noch anders. Innen war durch die Sonne Texas nicht mehr viel übrig und musste neu. Aber außen gab es nur wenige Beulen oder Flugrost und der originale Lack wäre mir heute 1000 Mal lieber als jeder Neulack. Nun ist das zu spät.
Es folgten die Jahre des Capri-Fahrens in den USA. Zusätzlich auch mit einem kurze Zeit später erworbenen metallicbraunen 1b, der allerdings leider keinen Motor hatte. Er wurde zunächst mit dem 2,6 Liter V6 Motor vom Gelben versorgt. Von Earl Scheib („ I´ll paint any car for just 99 Dollars“) bekam er eine dunkelblaue Lackierung verpasst. Der Gelbe war mittlerweile zerlegt und sah einer Restaurierung entgegen. Bis ich dann im Sommer 1992 meine wenig spätere Ehefrau kennenlernte.
„Ruhig, Brauner!“ 1991 in der texanischen Wüste. Das rechte Bild beschreibt Enno mit „Yippie Yah Yei“.
Bis 1993 ging noch beides parallel, Ehefrau und Capri. Dann geriet die Restaurierung aber doch ins Stocken. Als wir im Herbst 93 zurück in die Heimat - meine alte Heimat, ihre neue Heimat – sollten, wurde der mittlerweile neu lackierte Wagen samt überholtem Motor und Getriebe und einer neu aufgearbeiteten Innenausstattung in seinen 100 Einzelteilen in einen Container verladen. In Schleswig-Holstein trudelte die Fuhre dann Wochen später ein.
Also erstmal eine Garage finden, wo alles untergebracht werden konnte, und dann in Deutschland wieder Fuß fassen und sich später der Fertigstellung stellen. Aber dann kam es, wie es kommen musste. Nun war die Frau der Meinung: entweder sie, die für mich mit nach Deutschland gekommen ist, oder der Capri.
Beiseite geschoben - nicht die Frau
Da ich mich von keiner/m der beiden trennen wollte, kam die Lösung C. Frau bleibt, Capri bleibt. Letzterer wird erstmal beiseite geschoben. Aus der Garage kam er später in eine Scheune, eine weitere Garage und noch eine Garage. Der Grund: in den folgenden Jahren sind wir aus beruflichen Gründen nicht weniger als achtmal innerhalb Deutschlands umgezogen. So wurde aus einem Jahr ein Jahrzehnt. Aus einem Jahrzehnt dann schnell ein zweites.
1997 wurde ich dann stolzer Papa der besten Tochter der Welt und der Capri musste immer weiter einstauben. Aber vergessen war er nie, denn wenn auch das 1:1-Modell unberührt blieb, so wuchs zum einen meine 1:87- bis 1:8-Modellpalette ständig an. Außerdem besaß ich zwischendurch einen III-er, 2 Liter GT, und später ein Mercury-Capri-Cabrio aus Australien, das natürlich genauso wenig mit meinem 1b gemeinsam hatte, wie der jetzt von Ford vorgestellte E-SUV-Capri. Mehr möchte dazu nicht schreiben…
Nun, nach rund 25 Jahren und einen Monat nach dem Tod meines Vaters, beschloss meine Frau, zurück in die USA zu gehen. Ein weiteres Jahr später folgte ihr dann meine Tochter. Schlimmer konnte es dann nicht mehr kommen. So vergingen noch ein paar Jahre. Ich zog zurück von zuletzt Münster bei Dieburg in Hessen nach Flensburg und später Handewitt, in die Nähe meiner nun alleinstehenden Mutter.
Dann, kurz vor dem 30-jährigen Jahrestag des Kaufes meines 1b in den Staaten, kam dann die Entscheidung: der Capri muss endlich wieder auf die Straße! Nur kurz wieder zusammenbauen, Hauptuntersuchung und deutsche Papiere samt H- Kennzeichen machen und fix anmelden. Aber so einfach wie in meiner Phantasie wurde es dann natürlich nicht.
Die abgelaufene Gewährleistung
Neben der Auszeit durch Corona und abgesehen davon, dass die Neulackierung, die in 28 Jahren zwar das Sonnenlicht nie gesehen hatte, leider dennoch so einige Standschäden aufwies, waren auch Motor und Getriebe seinerzeit in den 90ern nicht so perfekt überholt worden, wie ich es lange annahm. Allerdings war es nach 29 Jahren und 9.000 Kilometern Entfernung etwas schwierig mit der Forderung nach Garantie und Gewährleistung.
Also alles nochmal von vorn. Nun wurde mir auch klar: die Ausführung für den US-Markt hatte nicht nur ein paar optische Veränderungen wie Stoßstangen, Blinker und Seitenleuchten im Vergleich zur deutschen Ausführung zu bieten. Mit 25 Jahren war man halt noch so naiv. Auch Motor, Abgasanlage, Beleuchtung und Co. wurden den damaligen US-Normen angepasst und diese Abweichungen waren jetzt hinderlich.
Aber zum Glück bekam ich durch Zufall (Kleinanzeigen sei Dank) perfekte Hilfe von zwei versierten Schraubern. Die waren zwar recht oft am Verzweifeln und es wurde alles aufwendiger und länger als geplant, aber sie haben das Wunder vollbracht. Nach noch vielen weiteren Stunden beim Lackierer und beim letztendlichen Zusammenbau in der eigenen Garage - und nach etlichen Terminen mit der DEKRA wegen fehlender Angaben wie etwa der Geräuschentwicklung - hat er nun seit Frühjahr 2022 seine deutschen Papiere, ist angemeldet und erfreut mich seitdem jeden Tag. Zumindest, wenn das Wetter mitspielt.
Hiermit danke ich jedem, vom Verkäufer und Erstbesitzer, auch über meine Ex-Frau, über die fleißigen Schrauber, Lackierer, Prüfer bis hin zu meiner heutigen lieben und besseren Hälfte, die mir für dieses spät gewordene Projekt die Unterstützung gegeben und mir Mut gemacht hat, dass ich heute mit fast 60 Jahren noch eine hoffentlich lange und schöne Zeit mit meinem 1b verbringen kann. Wie geschildert, er ist für immer ein Teil der Familie. Und wenn es halt irgendwann mal nicht mehr geht, dann bestimmt eher wegen meiner Gesundheit, als wegen meinem treuen Capri. Aber ob er dann wegkommt? Die Gedanken mache ich mir noch nicht. Aber eher nicht!
[Text & Fotos: Norbert „Enno“ Ohlsen]